“Das wohl einschneidendste Erlebnis in meiner musikalischen Laufbahn war die Begegnung mit dem Werk des Spektralisten Gérard Grisey und vor allem die Lektüre seiner Essays „Die Entstehung des Klangs“ sowie „Tempus Ex Machina“. In diesen Schriften reflektiert er die musikalische Zeit in Verbindung mit der Wahrnehmung des Menschen, explizit des Zuhörers. Aus der Notwendigkeit heraus, dass die damals populäre serielle Musik den Hörer nicht berücksichtigt hat, stellte Grisey einige Thesen auf, wie Musik aufgebaut werden kann, damit sie sich am bestmöglichen Erleben des Zuhörers im Konzert orientiert.
Zum besseren Verständnis möchte ich kurz eine sehr einfache dieser Thesen erläutern: Wenn sich ein Klang/Motiv ständig wiederholt (beispielsweise wie im Minimalismus), erleben wir die Zeit als zeitlos, entweder kurzweilig oder langweilig. Gleichzeitig wird unsere Wahrnehmung auf jede auch kleinste, beispielsweise klangliche, Veränderung geschliffen.
Grisey’s Thesen werden seit meiner ersten Begegnung in jeder meiner musikalischen Interpretationen und Improvisationen reflektiert.”
F. Behringer, 2022